Ca. 252.000 Menschen in Deutschland leben momentan mit der Diagnose Multiple Sklerose (“multiple” = vielfach, “skleros” = hart), Tendenz steigend. Die Autoimmunkrankheit, bei der das zentrale Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) chronisch entzündet ist, betrifft mit 70 % überwiegend Frauen. Die genaue Ursache für einen Ausbruch ist trotz intensiver Forschung bisweilen unbekannt. Wissenschaftler sind sich jedoch einig, dass eine Kombination aus Umwelteinflüssen und Erbanlagen mitunter eine Rolle spielt.
Welcher Pflegegrad bei MS?
MS wird nicht umsonst als “Krankheit mit den 1000 Gesichtern” bezeichnet. Entsprechend unterschiedlich sind Symptomatik und Verlauf. Es lässt sich demnach nicht pauschal sagen, welcher Pflegegrad Betroffenen bei Multipler Sklerose zusteht. Entscheidend ist immer der individuelle Grad der Beeinträchtigung. Dieser wird in einem Gutachten festgestellt.
Symptome
Die Symptome werden durch Beschädigungen der Nervenisolierschicht sowie den Abbau von Nervenfasern- und zellen ausgelöst. Zu Beginn verläuft die Krankheit größtenteils schubförmig (symptomfreie Zeiten wechseln sich mit akuten Schüben ab), wandelt sich im Laufe der Zeit jedoch meist zu einem “sekundär fortschreitenden Verlauf” (der Gesundheitszustand wird stetig schlechter).
Zu den Symptomen gehören unter anderem:
- Gleichgewichtsstörungen
- Taubheitsgefühle oder Kribbeln (vor allem in Armen und Beinen)
- Sehstörungen
- Probleme beim Toilettengang
- Fatigue-Syndrom (starke Müdigkeit, Erschöpfung, Antriebslosigkeit)
- Selten auch Lähmungserscheinungen
Je nach Ausprägung der MS können die Symptome von “kaum merklich” bis hin zu “schwerst beeinträchtgit” reichen. Vor allem Personen, die von Letzterem betroffen sind, sollten einen Pflegegrad bei der Pflegeversicherung beantragen, um sich Hilfe im Alltag zu sichern.
Behandlung
Heilbar ist MS nicht. Durch drei verschiedene, medikamentöse Therapien lassen sich die vielen Symptome jedoch gut abschwächen und der Verlauf gleichzeitig verlangsamen. Diese lauten:
- Schubtherapie (hauptsächlich Gabe von Kortisonpräparaten während eines Schubs)
- Basistherapie (langfristige Therapie mit Immuntherapeutika wie Immunmodulatoren oder Immunsuppressiva um den Verlauf von MS zu beeinflussen)
- Symptomatische Therapie (Behandlung von Symptomen wie dem Fatigue-Syndrom, Krämpfen oder Darmentleerungsstörungen mit verschiedenen Medikamenten und/oder Physio- und Ergotherapie)
Auch eine Rehabilitation mittels Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie spielt eine immer übergeordnete Rolle bei der Behandlung von MS. So soll sichergestellt werden, dass Betroffene ins soziale und berufliche Leben zurückkehren.
Pflegegrad beantragen mit MS – so funktionierts
Die “Zuteilung eines Pflegegrads” bei MS zu beantragen ist einfacher als man denkt. Ansprechpartner hierfür ist die Pflegekasse (angesiedelt unter dem Dach Ihrer Krankenkasse). Den “Antrag auf Pflegeleistungen / Einstufung in den Pflegegrad” sollten Sie sicherheitshalber immer schriftlich stellen. Prinzipiell wäre es aber auch möglich, den Antrag telefonisch oder vor Ort in einer Geschäftsstelle zu stellen.
Das Gutachten
Nach dem erfolgreich gestellten Antrag wird sich die Pflegekasse mit einem Terminvorschlag für ein Gutachten bei Ihnen melden. Dieses Gutachten, welches bei Ihnen zuhause durchgeführt wird, bestimmt, ob die Voraussetzungen für eine Pflegebedürftigkeit vorliegen und wenn ja: in welchen Pflegegrad Sie eingeteilt werden. Das Gutachten fokussiert die Beeinträchtigung der Eigenständigkeit in folgenden Bereichen:
- Mobilität
- Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
- Verhaltensweisen und psychische Probleme
- Selbstversorgung (mitunter der ausschlaggebendste Punkt)
- Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Belastungen
- Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakt
Je mehr Beeinträchtigungen Sie laut des Fragebogens haben, desto mehr Punkte erhalten Sie. Anhand dieser Punktzahl wird der Pflegegrad ermittelt.
Pflegegrad | Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten | Punkte |
1 | Gering | 12,5 bis unter 27 |
2 | Erheblich | 27 bis unter 47,5 |
3 | Schwer | 47,5 bis unter 70 |
4 | Schwerst | 70 bis unter 90 |
5 | Schwerst mit besonderen Anforderungen an die Pflege | 90 bis 100 |
Durchgeführt wird dieses Gutachten vom Medizinischen Dienst der Krankenkasse, kurz: MDK (bei gesetzlich versicherten Personen), bei privat Versicherten von der MEDICPROOF GmbH.
Der Bescheid
Binnen zwei Wochen nach erfolgreich absolviertem Termin bekommen Sie den Bescheid über das Ergebnis des Gutachtens. Bei einem negativen Ergebnis (z. B. Antrag abgelehnt oder eine zu niedrige Einstufung) können Sie binnen vier Wochen Einspruch erheben.
Exkurs: Pflegebedürftigkeit = Behinderung?
Wichtig: Bitte verwechseln Sie eine Pflegebedürftigkeit nicht mit einer anerkannten Behinderung. Diese lässt sich nur durch einen Amtsarzt feststellen, welcher vom Versorgungsamt beauftragt wird. Dabei orientiert sich das Gutachten an der GdS-Tabelle (GdS = Grad der Schädigung). Wird beim GdB (Grad der Behinderung) ein Wert von mindestens 50 erreicht, gilt man offiziell als schwerbehindert und ist damit zum Erhalt von (finanziellen) Nachteilsausgleichen berechtigt.
Auf einen Blick:
- Der Grad der Behinderung wird durch das Versorgungsamt festgelegt.
- Die Pflegebedürftigkeit wird auf Basis eines von der Pflegekasse in Auftrag gegebenen Gutachtens festgelegt.
- Ein Pflegegrad berechtigt nicht zwangsläufig zum Erhalt von Nachteilsausgleichen für Behinderte.
- Ebenso berechtigt auch eine anerkannte Behinderung nicht zum Erhalt von Pflegeleistungen.
Pflegekassenleistungen bei MS: Lohnt sich das?
Bereits ab Pflegestufe 1 erhalten Sie nicht unerhebliche Leistungen, so z. B. monatlich 125 € für Betreuungs- und Entlastungsleistungen sowie bis zu 40 € für Pflegehilfsmittel und 25,50 € für einen Hausnotruf. Außerdem können Sie sich bei der Wohnraumanpassung mit bis zu 4.000 € (einmalig!) bezuschussen lassen.
Hier finden Sie die gesamte Auflistung der Pflegekassenleistungen im Überlick: https://treppenlift-pflegekasse.de/pflegewissen/pflegekasse-leistungen/